Alina Widmer überzeugte mit ihrem Poster das Publikum und wurde dafür prämiert. An der Agroscope forscht sie im Rahmen ihrer Doktorarbeit zum Thema Nassreisanbau in der Schweiz und dessen Umweltauswirkungen.
Alina, wie schätzt du die potenzielle Rolle von Nassreis als Alternative zu konventionellen landwirtschaftlichen Praktiken auf organischen Böden ein, insbesondere im Hinblick auf die Reduzierung der Treibhausgasemissionen?
In organischen Böden baut sich der Torf unter trockengelegten Bedingungen ab und es kommt deshalb zu hohen CO2-Emissionen. Die einzige effiziente Möglichkeit den Torfabbau und die CO2-Emissionen zu reduzieren ist die Wiedervernässung dieser Standorte. Allerdings war dies bisher keine Option, ohne die produktive Rolle dieser Standorte zu verlieren, da die meisten Kulturpflanzen nicht mit Staunässe umgehen können. Der Nassreisanbau bietet hier eine spannende Alternative. In unserem Experiment konnten wir zeigen, dass durch die sommerliche Flutung der organischen Böden für den Nassreisanbau die CO2-Emissionen stark reduziert wurden.
Nassreis könnte nicht nur als lukratives Nischenprodukt in der Landwirtschaft vermarktet werden. Durch die Vernässung der Böden ergibt sich in der Bilanz ebenfalls eine Senke für Treibhausgasemissionen. Ausserdem finden bedrohte Arten in den Feuchtbiotopen wertvollen Lebensraum.
Bild: Alina Widmer
Basierend auf deinen Untersuchungen, welche Faktoren beeinflussen die Emissionen von Methan aus Nassreisfeldern am meisten? Gibt es bestimmte Bewirtschaftungspraktiken, die diese Emissionen effektiv reduzieren könnten?
Methan entsteht, wenn ein Boden über längere Zeit geflutet ist. Je nach Bodeneigenschaften dauert es einige Wochen, bis die Methanproduktion einsetzt und danach immer stärker wird. In unserem Experiment haben wir eine sogenannte «mid-season drainage» gemacht. Diese Praxis beinhaltet, dass man den Wasserpegel senkt und den Boden für einige Tage trockenfallen lässt, damit wieder Sauerstoff in den Boden kommt. So konnten wir die Methanemissionen in fast allen Reisplots stark reduzieren. Nach der erneuten Flutung beginnt die Methanproduktion wieder auf einem sehr tiefen Niveau. Diese Praxis ist mittlerweile üblich in Asien, wo so die Methanemissionen des Nassreisanbaus reduziert werden können. In der Schweiz muss man allerdings den passenden Zeitpunkt abwarten, denn das Wasser im Nassreisfeld bietet Isolation für die kälteempfindlichen Reispflanzen. Wenn das Wasser plötzlich fehlt und es eine kalte Sommernacht wird, kann das zu Ernteeinbussen führen, wenn die Reispflanze in einem empfindlicheren Entwicklungsstadium ist.
Zur Messung der Emissionen werden die Pflanzen mit einer Haube abgedeckt. Die darin gesammelte Luft kann abgeleitet und anschliessend für Analysen verwendet werden, womit eine Bilanzierung von beispielsweise Methanemissionen möglich wird.
Bild: Gabriela Brändle
Inwiefern sind deine Ergebnisse spezifisch für die Schweizer Bedingungen und liesse sich das Produkt auf dem Schweizer Markt sinnvoll vermarkten? Könnte Nassreis beispielsweise mithelfen einen Beitrag zur Versorgung der Schweiz zu leisten oder wird es sich eher um ein Nischenprodukt handeln?
Das Experiment wurde unter offenem Himmel durchgeführt. Die Reispflanzen waren also Schweizer Temperaturen und Niederschlägen ausgesetzt. Allerdings war dies ein Feldversuch, sondern ein Experiment mit Mesokosmen, bei dem grosse Töpfe im Boden eingelassen wurden. Die Resultate aus den entwässerten Grasplots stimmen jedenfalls mit den erwarteten Werten aus vergleichbaren Studien in der gemässigten Zone Europas überein.
Momentan ist der Risottoreis ein Nischenprodukt und wird zu einem höheren Preis als im Supermarkt verkauft. Die Reisbäuerinnen und -bauern vermarkten ihr Produkt selbst und die Nachfrage ist sehr hoch. Die Kundinnen und Kunden sind gerne bereit einen höheren Preis zu zahlen, wenn sie dafür die Biodiversität von gefährdeten Arten fördern können. Bisher wird Nassreis in der Schweiz auf 18 Hektaren angebaut. Auch wenn die geeigneten Flächen in der Schweiz vorhanden wären um mehr Nassreis anzubauen, wird er vermutlich weiterhin ein Nischenprodukt bleiben, da die Kultur in der Schweiz verhältnismässig neu ist und sich der Anbau stark von der herkömmlichen Landwirtschaft unterscheidet.
Die Versuche werden an der Agroscope Reckenholz in sogenannten Mesokosmen durchgeführt. Sie dienen als Modell und sind dadurch für Messungen leicht zugänglich, die Pflanzen sind jedoch den Umweltbedingungen direkt ausgesetzt.
Bild: Chloe Wüst
Glaubst du, dass ähnliche Studien in anderen Regionen vergleichbare Ergebnisse liefern würden, oder gibt es wichtige Variablen, die berücksichtigt werden müssen?
In der Tat hat eine Studie aus Kalifornien bereits herausgefunden, dass Nassreisanbau auf organischen Böden die Treibhausgasemissionen reduzieren kann, wenn man die Emissionen mit der herkömmlich trockengelegten Nutzung organischer Böden vergleicht. In Kalifornien ist das Klima allerdings eher mediterran, also von geringen Sommerniederschlägen und hohen Temperaturen geprägt. In der Schweiz befinden wir uns in der gemässigten Klimazone mit tieferen Sommertemperaturen. Da die CO2-Emissionen aus dem Torfabbau stark temperaturabhängig sind und der Nassreisanbau in den gemässigten Breiten eher unerprobt ist, war es wichtig herauszufinden, ob dieses Konzept hier auch funktioniert. Leider ist die alternative Nutzung von organischen Böden durch Nassreisanbau in den höheren Breiten, beispielsweise Dänemark oder Schweden, wo organische Böden häufiger vorkommen, nicht möglich, da Reis eine sehr kälteempfindliche Pflanze ist.
Die Messungen erfolgen nicht nur tagsüber. Auch in der Nacht, wenn die Pflanzen keine Photosynthese betreiben ist es wichtig die Emissionen für eine möglichst realistische Bilanzierung zu erfassen.
Bild: Regina Widmer
Wie könnte deine Forschung dazu beitragen, die Nachhaltigkeit und Resilienz des Schweizer Agrarsektors zu verbessern? Gibt es konkrete Handlungsempfehlungen, die sich aus deinen Ergebnissen ergeben?
Da organische Böden unter drainierten Bedingungen pro Jahr 1 - 2 cm an Mächtigkeit verlieren, kam es insbesondere im Berner Seeland – der Gemüsekammer der Schweiz - zu starken Bodenabsenkungen. An manchen Orten sind dort nur noch 30 cm an organischem Horizont übrig, der folglich in 15 - 30 Jahren verschwunden sein wird. Mit der Nassreisproduktion auf solchen Böden könnte man deren Bewirtschaftung nachhaltig sichern, weil die Flutung der organischen Böden im Sommer den Torfabbau stark reduzieren kann.
Feldarbeit ist eine Grundvoraussetzung für gelungene Versuche, dazu gehört auch die Arbeit im kniehohen Nassreis.
Bild: Valerio Volpe
Vielen Dank für die ausführlichen Antwort und viel Erfolg bei deiner weiteren Arbeit. Nun noch eine letzte Frage zum Schluss, lieber ein Tag im Bodenprofil oder ein Abend mit einem Glas Wein und einem Risotto von den Feldern aus deinem Versuch?
So gerne ich auch barfuss im Nassreisschlamm stehe oder auch in einem Bodenprofil, ist die Verköstigung des Risottoreises aus dem eigenen Experiment eine ganz besondere Erfahrung, die ich nicht missen möchte.