Nur auf gesunden Böden entstehen Lebensmittel und Biodiversität. Böden schützen vor Naturgefahren und wirken der Klimaerhitzung entgegen. Werden Böden versiegelt, gehen diese Leistungen jedoch verloren. Nur selten ist überhaupt bekannt, welche Böden verschwinden, wenn Beton und Asphalt immer weiter vorrücken. Der Bund engagiert sich darum zusammen mit Kantonen, Gemeinden, Landwirtschaft, Naturschutz, Raumplanung und Wissenschaft dafür, die Böden der Schweiz besser kennenzulernen und so deren Leistungen für die Zukunft zu sichern.
Die Schweiz verliert Jahr für Jahr fast 18 Quadratkilometer Boden. Das ist mehr als die Fläche des Sempachersees. Eine neue Auswertung der Arealstatistik zeigt, dass auf der Hälfte dieser Böden vor dem Versiegeln Nahrungsmittel produziert wurden. Im Siedlungsgebiet gingen Rasenflächen, Beete und von Bäumen und Kleinstrukturen bestandene Flächen verloren. Die ehemals grünen Flächen dienten der Erholung, boten Pflanzen und Tieren Lebensräume, sorgten während Hitzeperioden für Kühlung oder nahmen Starkniederschläge auf.
Am meisten wimmelt es in einem lebendigen Boden in den obersten Schichten. Hier ist der Anteil des organischen Materials mit braun-schwarzer Färbung am höchsten.
1 Schnecken ● 2 Webspinnen ● 3 Fliegenlarven ● 4 Wühlmäuse ● 5 Milben ● 6 Asseln ● 7 Mykorrhiza-Pilze ● 8 Tausendfüsser ● 9 Maulwürfe ● 10 Springschwänze ● 11 Pseudoskorpione ● 12 Käferlarven ● 13 Rädertierchen ● 14 Nematoden ● 15 Enchyträen ● 16 Regenwürmer.
Aus «Der Dschungel im Boden» © A. Bieri & S. Bieri.
Durch das Verschwinden der Böden zugunsten von Gebäuden, Strassen und befestigten Flächen, versiegen auch deren Leistungen zugunsten von Landwirtschaft, Biodiversität oder dem Schutz vor Naturgefahren. Eine breite Partnerschaft aus Behörden, Organisationen der Landwirtschaft, des Naturschutzes und der Raumplanung sowie der Wissenschaft, will diese Verluste stoppen und engagiert sich für die Erhaltung der Böden.
Ein wichtiger Teil dieses Engagements ist das Erheben besserer Daten zur Zusammensetzung und zum Zustand der Böden. Heute existieren erst für ca. 13 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche in der Schweiz qualitativ ausreichende Bodeninformationen. Während die regelmässig aktualisierte Arealstatistik mithilfe von Luftbildern Veränderungen an der Erdoberfläche dokumentiert, fehlt also der Blick in die Tiefe. Dabei können Böden schon auf kleinem Raum stark variieren – beispielsweise ihre Sickerfähigkeit oder der Humusgehalt.
Erst mit ausreichenden Bodeninformationen lässt sich die Nutzung der Böden steuern: Verliert ein Boden etwa die Fähigkeit Niederschläge aufzunehmen weil er versiegelt wurde, lässt sich diese Einbusse andernorts wettmachen, indem beispielsweise eine dauerhafte Begrünung für mehr Durchlässigkeit sorgt. Gestützt auf zuverlässige Daten können besonders wertvolle Böden besser geschützt werden – zum Beispiel als Fruchtfolgeflächen zur Nahrungsproduktion.
Der Bundesrat hat im März 2023 grünes Licht gegeben zu einem Konzept für die Bodenkartierung der Schweiz. Diese wird dereinst für die ganze Schweiz zeigen, wo welche Böden vorhanden sind. Fachexpertinnen und -experten von Bund und aus der Wissenschaft rechnen damit, dass diese Arbeiten rund 20 Jahre dauern werden.
Wie sich Böden unterscheiden und womit sich ihre Eigenschaften positiv beeinflussen lassen, können Interessierte aber heute schon mit einfachen Mitteln selbst herausfinden. Besonders geeignet sind dazu Tests zur biologischen Aktivität der Böden, wie sie das Citizen-Science-Projekt «Beweisstück Unterhose» entwickelt hat. Sobald die Bodenorganismen im Frühjahr wieder aktiv sind, wird die Partnerschaft Boden anfangs 2024 auf dieser Grundlage eine nationale Aktion durchführen.
Behörden und Organisationen der Landwirtschaft, der Umwelt und der Raumplanung sowie der Wissenschaft engagiert sich gemeinsam für die Erhaltung der Böden:
Bundesamt für Umwelt BAFU, Bundesamt für Raumentwicklung ARE, Bundesamt für Landwirtschaft BLW, Kompetenzzentrum Boden (KOBO), Kantone Genf, Luzern, Waadt, Kompetenzzentrum Boden Wallis (KOBO - Wallis), Cercle sol (Bodenschutzfachstellen der Kantone), Agroscope, Agridea, Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL), Bodenkundliche Gesellschaft der Schweiz (BGS), EspaceSuisse, Schweizer Bauernverband (SBV), Stiftung Landschaftsschutz Schweiz (SL), Pro Natura Schweiz, sanu durabilitas, Schweizerischer Städteverband.
In der Schweiz verschwindet durch Versiegelung jede Sekunde mehr als ein halber Quadratmeter Boden. Rund die Hälfte dieses Verlusts geht auf Kosten von Landwirtschaftsflächen, gut ein Fünftel entfällt auf Siedlungen. Um Bodenleistungen nachhaltig zu sichern, gilt es die Bodenversiegelung zu minimieren.
Die im Jahr 2020 vom Bundesrat beschlossene Bodenstrategie Schweiz strebt an, dass in der Schweiz ab 2050 netto kein Boden mehr verbraucht wird. Überbauen von Boden ist weiterhin möglich. Gehen dabei aber Bodenfunktionen verloren, müssen diese an einem anderen Ort durch Bodenaufwertung kompensiert werden.
Die versiegelten Böden nehmen aktuell jährlich um fast 18 Quadratkilometer zu. Als «versiegelt» gelten Böden, auf denen Gebäude stehen oder solche, die befestigt sind (z.B. Strassen, Bahntrassen oder Plätze).
Die versiegelte Fläche wächst in der Schweiz primär, indem Asphalt und Beton ins Kulturland vorstossen: Eine Auswertung der Arealstatistik zeigt, dass mehr als die Hälfte der neu versiegelten Böden ehemals Gras- oder Krautvegetation trugen und damit der Nahrungsmittelproduktion dienten und auch der Biodiversität zugutekamen.
Die zweite Entwicklung hinter der zunehmenden Versiegelung ist das Bebauen von Siedlungsflächen. Diese ist mehrheitlich der Siedlungsentwicklung nach Innen zuzuschreiben. Etwas mehr als ein Fünftel der neu versiegelten Böden waren ehemals Beete und Rasen, oder sie waren von Bäumen und Kleinstrukturen bedeckt. Die ehemals grünen Flächen dienten der Erholung, boten Pflanzen und Tieren Lebensraum, sorgten bei Hitzeperioden für Kühlung oder nahmen Starkniederschläge auf.
Herkunft der neu versiegelten Flächen (befestigte Flächen, Gebäudeflächen, Gewächshäuser) zwischen 2009 und 2018 in Hektaren.
Böden entwickeln sich sehr langsam. Angefangen bei einer Geröllhalde, wie sie die Gletscher bei ihrem Rückzug vor 12’000 Jahren im Mittelland zurückgelassen haben, über den Aufbau eines kaum millimeterdicken Flechtenbelags, dauert es mehrere Jahrtausende bis zur Entstehung einer Braunerde, auf der Nahrungsmittel wachsen können.
Die luft- und wasserdurchlässige krümelige Bodenstruktur ist das Ergebnis einer komplexen biologischen Aktivität, an der Millionen unterschiedlicher Arten beteiligt sind (Enchyträen, Pilze, Pflanzen, Insekten etc.).
Werden Böden mit Asphalt, Beton, Kunststoff oder anderen wasser- und gasdichten Materialien dauerhaft versiegelt, sterben diese Lebewesen innert kurzer Zeit ab. Die Bodenstruktur zerfällt und der Boden verliert den Grossteil seiner Funktionen (Biomasseproduktion, Lebensraum, Versickerung, Kühlung etc.).
Asphalt- und Betonbeläge lassen sich – mit einigem Aufwand – wieder entfernen. Diese entsiegelten Böden können neu begrünt werden und gewinnen einen Teil ihrer Sickerfähigkeit zurück. Dennoch lässt sich aus einer Strasse kein Acker zurückgewinnen: Die Bodenstruktur ist dauerhaft gestört, Fremdstoffe wie Beton, Teer und Kunststoffsplitter bleiben zurück. Die Bodenlebewesen kehren nur langsam zurück und die ursprüngliche Bodenqualität ist unwiederbringlich verloren.
Entsiegelung und Begrünung als Massnahme zur Hitzereduktion auf dem Ansermetplatz in Bern.
Bild: Moritz Gubler
Umso wichtiger ist es, die Versiegelung neuer Böden so weit wie möglich zu begrenzen. Anstelle neuer Siedlungen auf der grünen Wiese, müssen die vorhandenen Siedlungsstrukturen effizienter genutzt und bestehende Bauten erhalten und aufgewertet werden. Flächensparenden Baumethoden ist der Vorzug zu geben, z.B. durch den Ausbau von Dachgeschossen, die Aufstockung von Gebäuden oder Nachverdichtung.
Wo möglich sollte auf undurchlässige Beläge verzichtet werden. Halbdurchlässige Beläge (z.B. Rasengittersteine) können dazu beitragen, gewisse Bodenfunktionen zu erhalten. Durch eine kluge Anordnung von Gebäuden oder Strassen, lassen sich hochwertige Bodenfunktionen schonen. Schliesslich ist bei Aushubarbeiten ein sorgfältiger Umgang mit dem Boden sicherzustellen und die Einhaltung von Bodenschutzvorschriften zu überwachen.
Im März 2023 hat der Bundesrat grünes Licht gegeben zum Konzept für die Bodenkartierung der Schweiz. Dieses wurde von den Bundesämtern für Umwelt BAFU, für Raumentwicklung ARE und für Landwirtschaft BLW gemeinsam entwickelt. Die Bodenkartierung wird erstmals für die ganze Schweiz zeigen, wo welche Böden vorhanden sind.
Die Oberfläche der Erde wird seit Jahrhunderten vermessen und in immer genaueren Karten dargestellt. So haben die Luftbilder der Landeskarte der Schweiz aktuell etwa eine Bodenauflösung von 10 cm (im Alpenraum 25 cm). Die Lage von Bergen, Wäldern und Bächen oder auch Strassen, Bahnen und Gebäuden kennen wir daher mit hoher Präzision.
Ganz anders die Welt unter der Erdoberfläche: In der Schweiz gibt bis anhin erst für schätzungsweise 13 % der landwirtschaftlich genutzten Böden qualitativ ausreichende Bodeninformationen. Ein Alltag ohne topografische Karten kann man sich heute kaum vorstellen – egal ob es ums Reisen, Bauen oder die Landesverteidigung geht. Umso erstaunlicher, dass zahlreiche mit dem Boden verbundene Tätigkeiten bis heute ohne Karten auskommen und gewissermassen im «Blindflug» operieren müssen. Dies gilt insbesondere für die Raumplanung, die Landwirtschaft, die Waldwirtschaft, den Umgang mit Naturgefahren sowie den Umwelt- und Naturschutz. Besonders dringend sind Bodeninformationen für den Schutz von Fruchtfolgeflächen – und damit die Erhaltung der wertvollsten Landwirtschaftsflächen.
Bodenkarten geben Auskunft über den Aufbau und die Beschaffenheit der Böden, über den Bodentyp (z.B. Braunerde oder Moorboden), über Messgrössen wie den Humus- oder den Nährstoffgehalt und über die Bodenfunktionen (Biodiversität, Eignung für den Ackerbau, Wasserspeicherung, Regulierungsfunktionen für Nähr- und Schadstoffe etc.).
In Forschungs- und Pilotprojekten entwickelt und verfeinert das Kompetenzzentrum Boden KOBO neue Methoden für die schweizweite Bodenkartierung. Hier am Beispiel eines neuartigen Bohrsystems in Fribourg-Chamblioux.
Bild: KOBO
Auf Grundlage der 2020 verabschiedeten Bodenstrategie hat der Bundesrat den Auftrag erteilt, ein Konzept für eine schweizweite Bodenkartierung zu erstellen. Dieses haben die Bundesämter für Umwelt BAFU, für Raumentwicklung ARE und für Landwirtschaft BLW in Zusammenarbeit mit dem Kompetenzzentrum Boden KOBO gemeinsam vorbereitet. Im März 2023 hat der Bundesrat dieses Konzept gutgeheissen.
Zusammen mit Bund, Kantonen und Privatbüros führt das Kompetenzzentrum Boden KOBO aktuell Pilotprojekte zur technischen Weiterentwicklung der Bodenkartierung durch. In einem ersten Schritt werden bestehende Umwelt- und Geodaten ausgewertet. Dazu zählen Luftbilder, aber auch Daten von Satelliten. Deren Sensoren erlauben beispielsweise Rückschlüsse auf Eigenschaften an der Bodenoberfläche. Aus diesen Daten lässt sich mit Terrainanalysen eine sogenannte Konzeptkarte erstellen. Sie grenzt Flächen voneinander ab, in denen man Böden mit einheitlichen Eigenschaften vermutet.
Mit Hilfe der Konzeptkarte können die Bodenkundlerinnen und Bodenkundler festlegen, wo im Feld Proben entnommen werden müssen. Sie führen Bohrungen durch, graben Bodenprofile, sammeln Bodenproben und beschreiben die Böden. Zusätzlich werden im Labor Messungen vorgenommen. Aus den so gewonnenen Daten werden schliesslich flächige Karten modelliert und für die Nutzerinnen und Nutzer aufbereitet.
Visualisierung einer Bodenkartierung: Wichtige Bodeninformationen sind beispielsweise Humus- und Tongehalt, Bodenaufbau und Horizontschichten, Gründigkeit, Skelettgehalt, Aggregatstruktur, Porenvolumen und Wasserhaushalt.
Quelle: KOBO
Das KOBO hat zum Ziel, die technische Weiterentwicklung der Bodenkartierung zu forcieren. Neue Methoden wie die Fernerkundung, modellbasierte Beprobungskonzepte und Regionalisierung von Bodeneigenschaften, neue Labormethoden sowie die Erstellung von nutzerfreundlichen Themenkarten sollen in die bestehende Kartiermethode integriert werden. Damit werden schweizweit einheitliche Grundlagen geschaffen.
Die schweizweite Bodenkartierung ist eine Generationenaufgabe. Sie dürfte – nach Abschluss der eben angelaufenen rund 5-jährigen Vorbereitungsphase – schätzungsweise 20 Jahre in Anspruch nehmen. Ein grosser Effort zugunsten einer unverzichtbaren Ressource – unseren Böden.