15. November 2023

Schauen Sie mit uns zurück auf die Jahresexkursion ins Unterengadin diesen Herbst. Eine Möglichkeit die zwei schönen Tage Revue passieren zu lassen. Für alle die dabei waren oder es gerne gewesen wären.

Die Jahresexkursion der BGS ist ein traditionsreiches Ereignis und seit langem eine etablierte Grösse in unserem Verband. Sie bietet nicht nur die Gelegenheit, sich über Neuigkeiten und Fachwissen auszutauschen, sondern ermöglicht auch das Knüpfen neuer Kontakte und das Kennenlernen von Menschen – ein sozialer Aspekt, der nicht zu unterschätzen ist. Darüber hinaus soll sie auch ein gewisses touristisches Erlebnis bieten, das in diesem Jahr in den malerischen Alpen, den urigen Bergdörfern und bei perfektem Spätsommerwetter im Unterengadin seinen Höhepunkt fand. Begleiten Sie uns in diesem Artikel auf eine Reise und lassen Sie die Momente der BGS-Jahresexkursion 2023 nochmals Revue passieren.

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Über 40 Teilnehmende folgten der Einladung zur diesjährigen BGS-Jahresexkursion ins Unterengadin.  Das Programm war gespickt mit Beiträgen von Naturraumgestaltung und Entwicklung vor Ort, der Klassifikation der lokalen Böden, über Renaturierungsprojekte bis zum Deponiewesen im alpinen Gebiet.

 

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In Sent auf dem Dorfplatz folgte die Begrüssung der Teilnehmenden durch Maurus Fischer vom Amt für Natur und Umwelt des Kantons Graubünden, der die diesjährige Exkursion zusammen mit der Geschäftsstelle organisierte. Ebenfalls dabei war Angelika Abderhalden, Geschäftsstellenleiterin der Fundaziun Pro Terra Engiadina, die uns sogleich mitnahm auf einen ersten Spaziergang durch das Dorf raus in die alte Allee, für die Sent unter anderem bekannt ist.

 

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Bereits wesentlich länger, überdauern die Ackerterrassen, die das Landschaftsbild in dieser Region des Unterengadins prägen. Schriftliche Quellen aus dem Mittelalter weisen bereits auf eine ackerbauliche Nutzung der terrassierten Hänge hin. Aber erst die Datierungen von gefundenen Holzkohleresten brachte das wahre Alter gewisser Terrassen hervor, die teilweise bereits in der Jungsteinzeit errichtet wurden. Über den Lauf der Jahrhunderte wurden diese stets weiterbewirtschaftet und erreichten dadurch ihre Mächtigkeit, die sich auch heute noch erahnen lässt.

 

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Während die schroffen Nordflanken des Unterengadins den Bären, Luchsen und Wölfen vorbehalten blieben schuf der Mensch auf der lieblich, sanften Südflanke eine Kulturlandschaft im Unterengadiner Fenster. Das Ausgangsgestein ist hier vorwiegend Bündner Schiefer, welcher sanft verwittert und deshalb guten Voraussetzungen zur Bearbeitung der Böden bietet.

 

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Die geschaffenen Terrassen beeinflussten dabei nicht nur das Landschaftsbild, sondern auch die natürlichen Lebensräume durch vielfältige Nischen. So stellte sich eine artenreiche Kombination in der Kulturlandschaft ein, die besonders durch die ausgedehnten Trockenwiesen und -weiden profitierte. Noch heute findet sich ein Grossteil dieser Lebensräume im Kanton Graubünden und davon wiederum ein grosser Teil im Unterengadin. Doch auch das Unterengadin sei nicht isoliert vom Verlust der Artenvielfalt, ruft uns Angelika Abderhalden in Erinnerung. Denn die Biodiversität eines Quadratfusses findet sich heutzutage erst auf einer Fläche wieder, die etwa 125-mal grösser ist.

 

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Auf dem Weg zurück ins Dorf gibt uns Maurus Fischer, hier im Gespräch mit Armin Keller, einen Einblick in seine Tätigkeiten beim Amt für Natur um Umwelt, welches seit 1994 eine kantonale Bodenüberwachung betreibt. An insgesamt 51 Standorten werden dabei kontinuierliche die chemischen Belastungen erhoben. Wie im Unterland, können auch hier Überschreitungen der festgelegten Grenzwerte beobachtet werden. Mit dem Unterschied, dass sie hier meist auf die natürlichen Prozesse im Ausgangsgestein, sogenannt geogene Belastungen, zurückzuführen.

 

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Am Nachmittag war Feldarbeit und Diskussion am Profil angesagt, ein Workshop auf BGS-Art. Im Zentrum standen zwei Bodenprofile, die in den Achtzigerjahren als Phaeozeme kartiert wurden. Diskutiert wurde die Frage, wie dieser Bodentyp im Zuge der Revision der Schweizer Bodenklassifikation (RevKLABS) künftig angesprochen und klassifiziert werden soll. Phaeozeme sind in der Schweiz eher selten zu finden, was nicht unbedingt daran liegt, dass es sie nicht gäbe, sondern vielmehr dadurch begründet ist, dass sich Bodenkarten häufig auf das Mittelland beziehen, wo dieser Bodentyp nicht vorkommt.

 

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Die humusakkumulierenden Phaeozeme bilden sich vorwiegend in semihumidem Klima mit negativen Wasserbilanzen und zeichnen sich durch die krümelige Struktur aus, die in den organischen Horizonten ausgeprägt ist. Ebenfalls sind sie biologisch sehr aktiv und tiefgründig, zusammen mit der hohen Basensättigung sind sie somit sehr gut für die landwirtschaftliche Nutzung geeignet.

 

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Bei der Profilansprache entwickelte sich eine rege Diskussion. Man war sich nicht einig, inwiefern es sich nun um einen Phaeozem handelt oder ob es nicht doch eher einen humoseren Regosol handelt. Insgesamt sind aber genau solche Diskussionen ein wertvoller Mehrwert für die Schweizer Bodenkunde, da man sich ansonsten nicht häufig vor einem Profil austauschen kann. Die Meinungen am Profil wurden durch Roxanne Tuchschmid von der HAFL und Beteiligte am Projekt RevKLABS moderiert.

 

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An einem weiteren Profil begrüsste uns Anina Schmidhauser, die ebenfalls am Projekt revKLABS beteiligt ist. Und hier bestand sogleich auch ein grösserer Konsens, das Profil wies deutlichere Hinweise auf einen Phaeozem auf. Es gibt sie vermutlich also doch in der Schweiz, doch sollen sie zu einer eigenen Gruppe werden oder nur als Untertyp in die Klassifikation einfliessen, diese Frage bleibt noch zu klären. Eine gute Gelegenheit für weitere Diskussionen kam nach der Feldarbeit in Form des Apéros in Scoul, bevor man entweder nach Hause ging oder zum Abendessen und Übernachtung nach Zernez aufbrach.

 

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Der zweite Tag begann mit klarem Himmel, Sonnenschein und einem Spaziergang entlang der Flaz. Zwischen 2002 und 2006 wurde der Fluss zwischen Pontresina und Samedan aus seinem künstlichen Bett entfernt und erhielt einen Teil seiner natürlichen Dynamik wieder.

 

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Reto Rupf von der ZHAW war damals am Projekt mitbeteiligt und erzählt von den Erfolgen, aber auch Hürden, die mit der Renaturierung des Flusses einhergingen. Insgesamt schien das Konzept jedoch im wahrsten Sinne dicht gewesen zu sein, so ist Reto Rupf überzeugt. Die Tatsache, dass der Fluss trotz den Starkniederschlägen ein paar Tage zuvor nicht über die Ufer trat, spräche dafür, dass sich Hochwasserschutz und Renaturierung nicht widersprechen müssen.

 

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Beim Projekt galt es verschiedenste Interessen unter einen Hut zu bringen, denn einerseits ist die Region ein beliebtes Naherholungsgebiet und andererseits beherbergt sie auch empfindliche Lebensräume, wie Auen und Hochmoore. Die Umsetzung des Projekts wurde von einer ökologischen Kommission begleitet, die sicherstellen sollte, dass alle Interessen möglichst gut im Projekt umgesetzt werden können.

 

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Beatrice Kulli, ebenfalls von der ZHAW, erzählt vom Monitoring, welches im Zuge der Flussrenaturierung bis 2010 durchgeführt wurde. Insgesamt wurden für das Projekt 100 ha an Flächen aufgefüllt und rekultiviert. Es zeigt sich, dass sich ein fürsorgerischer Umgang mit Boden durch eine bodenkundliche Baubegleitung auszahlt. Viele der Flächen, welche mit Problemen zu kämpfen hatten, wurden nämlich ohne fachkundige Begleitung rekultiviert.

 

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Nach dem Mittagessen in Preda stand der Besuch der Baustelle und der Deponie des neuen Albulatunnels auf dem Programm. Der alte, bereits hundertjährige Tunnel, der Rhätischen Bahn ist sanierungsbedürftig und wurde deshalb durch einen Neubau ersetzt. In Betrieb gehen soll der Albulatunnel II im nächsten Jahr.

 

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Der Abtransport ins Tal und die darauffolgende Deponierung des Abbruchmaterials, welches beim Tunnelvortrieb entstand, sei zu teuer und kaum mit verhältnismässigem Aufwand durchführbar. Deswegen entschied sich die Bauherrschaft, die Rhätische Bahn, ein Deponiekonzept in der Nähe des Tunnels zu planen, erklärt uns Benedikt Flückiger, Projektleiter bei der Baufirma AFRY. Zwar konnte ein Teil des Abbruchs beispielsweise als Gleisschotter verwendet werden, der Grossteil des Abbruchs wird aber eine Talmulde in eine Hügellandschaft am Fusse der Berge verwandeln.

 

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Dazu wurde ein Geländemodell erarbeitet mit dem Anspruch, dass später nicht mehr erkennbar sein soll, dass es sich um eine ehemalige Deponie handelt. Für eine saubere Durchführung gemäss diesem Modell ist eine klare Absprache zwischen Bauleitung, bodenkundlicher Baubegleitung und besonders den Leuten vor Ort auf der Baustelle nötig. Der Fall der Deponie in Preda ist ein ausgezeichnetes Beispiel, was mit guter Zusammenarbeit möglich ist.

 

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Über die dicke Schicht an Ausbruchmaterial und Beton, kommt eine Schicht an unterbodenfähigem Material. Anschliessend legt der Maschinist in feinster Arbeit eine Schicht Oberboden darüber und modelliert daraus die Landschaft. Sobald eingesät wurde und das Gras beginnt aufzulaufen, wird es bereits schwierig zu erkennen, dass es sich um eine Deponie handelt. Noch ist aber einiges an Arbeit nötig, denn die Berge an Material türmen sich immer noch hoch in Preda.

 

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Nach dem Besuch der Deponie ging es in den Berg, zur Besichtigung des neuen Tunnels. Die Tour wurde durch zwei Begleiter der Rhätischen Bahn geführt. Im Tunnel steckt einiges an ingenieurmässiger Leistung. So musste nach einem Wassereinbruch in der weichen Rauwacke, ein Teil des Berges über mehrere Monate eingefroren werden. Erst als das Wasser im Berg gefroren war, konnte mit dem Tunnelvortrieb fortgefahren und der etwa 150 Meter lange Abschnitt gesichert werden.

 

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Danach rückte auch bereits das Ende der BGS-Jahresexkursion näher, jedoch nicht ohne einen letzten Auftakt im Programm. Die Fahrt von Preda nach Chur durften wir nämlich bei einem Apéro im Erlebniszug der Rhätischen Bahn geniessen und im mit Arvenholz ausgeschmückten Wagon, die Bergwelt des Bündnerlandes geniessen. Bei dieser Gelegenheit konnten ein letztes Mal neue Kontakte geknüpft und alte gefestigt werden. Einer von vielen Vorteilen der Jahresexkursion und sicher ein Mehrwert für das Verbandsleben unserer Gesellschaft.

 

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